Eine Teilnahme an einer Paralympic war vor 2004 für Frauen im Sehgeschädigten Judo nicht möglich. Seit Athen gab es keine Paralympics Teilnahme einer Brussig ohne Medaillenerfolg, so auch in Rio de Janeiro 2016. Das Interesse an den Brussig Twins war bereits im Vorfeld enorm und der Erfolgsdruck wurde dadurch nicht kleiner. Nochmals Doppelgold? Es wäre schön gewesen, aber auch sehr unrealistisch. Das Leistungsniveau im Judosport für Sehgeschädigte hat sich enorm gesteigert und steht heute dem „ regulären“ Judo in nichts nach. Jede errungene Medaille steht für Verzicht, viele Schmerzen, eiserne Disziplin und jeden Tag mehrere Stunden hartes Training. Dies wird oft vergessen, wenn man von „ nur“ gewonnen spricht. Das Resultat vorabgenommen. Jeweils eine sensationelle Silbermedaille für Carmen und Ramona Brussig vom Kampfsportcenter Do-Jigo Wollerau.
Klare Sache bis zum Final
Für die Paralympics in der Sportart Judo können sich nur die ersten sieben Frauen aus der IBSA (International Blind Sports Federation ) Judo Weltrangliste pro Gewichtsklasse qualifizieren. Der achte Slot ist immer für das Gastland reserviert. Die Entscheidung, welcher Judoka am Ende für den gewonnen Slot starten wird liegt beim jeweiligen Land.
Die erste Herausforderung in der Kategorie -48 kg meisterte Carmen Brussig souverän. Sie machte bereits nach einigen Minuten kurzen Prozess mit ihrer Gegnerin aus der Türkei. Durch eine Würgetechnik verlor Tasin Ecim ihr Bewusstsein bevor sie das Zeichen zur Aufgabe geben konnte. Wie in London standen sich im Halbfinale die Ukrainerin Yuliya Halinska und die Judotrainerin des Kampfsportcenter Do-Jigo Wollerau gegenüber. Die beiden Kontrahentinnen kennen sich sehr gut. Beide wollten natürlich nicht viel riskieren. Brussig ging sehr taktisch vor, so dass ihre Gegnerin bald die erste Strafe für Inaktivität bekam. Eine Minute später die zweite. So blieb Halinska keine Wahl als ihr Risiko zu erhöhen. Dies nutzte Carmen Brussig für einen schnell angesetzten Beinwurf (Harai Goshi), die ihr die Wertung Yuko einbrachte. Erfahren genug brachte sie ihren Wertungsvorsprung über die Zeit und konnte so den Druck von sich wenden.
Gold verloren und Silber gewonnen
Gegen die Chinesin Li Liqing war Carmen Brussig chancenlos. Sie fand kein Konzept gegen die starken Schulterwurfangriffe ihrer Gegnerin. Da die Chinesin seit Colorado 2014 plötzlich von der Bildfläche verschwunden war und erst seit Juli auf der Startliste wieder aufgeführt wurde, blieb Brussig nicht genug Zeit sich auf die neu gesetzte Chinesin einzustellen. “Gold verloren und Silber gewonnen. Natürlich ist man nach dem Kampf enttäuscht, dass man ihn verloren hat, aber dann freut man sich doch.”, meinte die Wahlschweizerin mit einem Lächeln. Mit der gewonnen Silbermedaille vervollständigte sie ihren Paralympic – Medaillensatz.
Ramona Brussig legte nach
Nach einer einjährigen Pause aufgrund von Kreuzbandriss und Netzhautablösung glückte Ramona Brussig den Kaltstart, obwohl sie sehr nervös beim Auftaktkampf in der Kategorie -52 kg gegen die Brasilianerin Ferreira war. Nach einem schnellen Seoi-Otoshi (Handwurf) gewann die etwas jüngere Brussig die Begegnung frühzeitig. Leider musste sich auch Ramona Brussig im Finale von der Französin Sandrine Martinet geschlagen geben. Das gleiche Resultat war natürlich nicht beabsichtigt, aber eben es sind klassische Zwillinge.
Neue Auflage der Twins 2020
Doppelgold 2012 in London, Doppelsilber 2016 in Rio de Janeiro, darf man da auf eine neue Auflage hoffen? Die Frage bleibt offen. Sicher ist aber bereits, dass Carmen und Ramona Brussig mit 39 Jahren wieder an ihrer langen Judo Geschichte des Erfolges angeknüpft und geschrieben haben. Ein Platz in der Sportgeschichte für Judo für die Sehgeschädigte ist ihnen schon lange sicher. „ Ich kann als Trainerin von Carmen Brussig und Freundin der Beiden nur immer wieder sagen. Wow, Chapeau! Was für eine konstante Leistung und dies seit Jahren. Dies können nur wenige vorweisen und mit ihrer bescheidenen Art sind sie weltweit von Interesse“, sagte Alexandra Schiesser.
Vielen Dank
Ein herzliches Dankeschön an alle, die Carmen und Ramona Brussig wieder vier Jahre begleiteten und sie in jeglicher Form unterstützten. Wir danken dem Hauptsponsor Fotorotar und allen anderen Sponsoren für die wichtige finanzielle Unterstützung.